JDG-Einblicke: Wissenschaftlerinnen
Rechercheeinstieg zum Thema „Wissenschaftlerinnen in der Geschichte Deutschlands“ anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März
Bis in die 1970er Jahre hinein fand die Rolle von Frauen in der Wissenschaft in der historischen Forschung kaum Beachtung und auch heute begegnet man vielerorts noch der allgemeinen Auffassung, dass Frauen auf deutschem Gebiet erst seit etwa 1900 begannen, sich in den Wissenschaften zu engagieren.
Dies ist aber keineswegs der Fall, denn schon in den Frauenklöstern des Mittelalters forschten Frauen vor allem auf den Gebieten der Medizin, Chemie und Pharmakologie, Botanik und Naturgeschichte, aber auch zu philosophischen und weiteren Fragestellungen. Das wohl berühmteste Beispiel Deutschlands hierfür ist sicherlich Hildegard von Bingen. Aber auch schon vor ihr haben Frauen wie Hrotsvit von Gandersheim es durch ihre gelehrten Schriften zu einiger Berühmtheit gebracht. Als sich im Hochmittelalter aus den Domschulen heraus langsam Universitäten entwickelten, gingen die Frauen hier allerdings leer aus, denn sie wurden von diesem Weg in die Wissenschaft ausgeschlossen.
Auch als später die ersten Akademien der Wissenschaften entstanden – 1652 die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in Schweinfurt und 1700 die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin – war Frauen lange Zeit die Mitgliedschaft in einer solchen Institution verboten. Dies bedeutete natürlich nicht, dass Frauen sich deshalb davon abhalten ließen, sich trotz allem mit wissenschaftlichen Themen zu befassen. Oft standen sie aus diesem Grund in engem Kontakt mit männlichen Wissenschaftlern, wie beispielsweise Sophie von der Pfalz, Kurfürstin von Hannover und ihre Tochter Sophie Charlotte, Königin in Preußen mit Gottfried Wilhelm Leibniz. Immerhin wurde dann 1835 die deutsch-britische Astronomin Caroline Herschel als erste Frau ein Ehrenmitglied der britischen Royal Society, in Anerkennung ihrer Entdeckung und Beschreibung mehrerer Kometen und anderer wichtiger Fakten, die das wissenschaftliche Fach Astronomie weit voran brachten. Gerade auf diesem Gebiet waren doch auch etliche Frauen tätig – zwischen 1650 und 1710 waren etwa 14% aller deutschen Astronomen weiblich. Aber genau hier findet sich ein sehr typisches Beispiel für den Umstand, dass zwar oft eine Frau eine für die Wissenschaft bedeutsame Entdeckung macht, die Anerkennung dafür dann aber ihre Ehemänner oder andere männliche Kollegen ernten. So ging es auch Maria Winkelmann, die mit dem Astronomen Gottfried Kirch verheiratet war und nach dessen Wahl zum Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften 1700 dort als seine Assistentin arbeitete. Sie hatte bereits 1680 einen Kometen entdeckt, aber diese Entdeckung wurde sofort ihrem Ehemann zugeschrieben und das auch noch, nachdem dieser endlich 1710 öffentlich erklärte, dass nicht er, sondern seine Frau den Kometen entdeckt hatte (während er selbst schlief). Nach dem Tod ihres Mannes eröffnete Maria Winkelmann die Berliner Sternwarte, allerdings durfte sie nun nur noch inoffiziell als Assistentin ihres Sohnes Christfried Kirch – dem Direktor der Sternwarte – tätig sein, bevor sie 1717 gezwungen wurde, auch diese Stelle aufzugeben, da sie sich offensichtlich zu stark in Gespräche (über Astronomie) unter Männern eingemischt hatte. Ihr Schicksal steht vermutlich für viele Frauen, die intellektuell den männlichen Kollegen in nichts nachstanden, aber aufgrund ihres Geschlechts nicht zu der gleichen Berühmtheit und Ehre gelangen konnten.
Dies änderte sich ein wenig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Frauenrechtsbewegungen einen stärkeren Bildungsdiskurs anregten und Forderungen nach gleichen Bildungschancen für Frauen sowie eine Veränderung der gesellschaftlichen Rollenerwartungen an Frauen stellten. Henriette Goldschmidt regte 1867 auf der ersten Versammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) eine Petition an die Hochschulen des Norddeutschen Bundes mit der Forderung an, Frauen zu akademischen Studien zuzulassen. Nachdem als erste und lange Zeit einzige Frau 1754 Dorothea Christiane Erxleben an der Universität von Halle (Saale) promovieren durfte (was sie konkret Friedrich dem Großen zu verdanken hatte, der sich für sie persönlich einsetzte), promovierte dann 1899 wieder eine Frau – Elsa Neumann – in Berlin im Fach Physik.
Trotzdem waren Frauen noch bis 1908/09 formaljuristisch im Norddeutschen Bund und im Deutschen Kaiserreich vom Universitätsstudium ausgeschlossen, weshalb einige deutsche Frauen zum Studium ins Ausland gingen, wie z.B. die erste deutsche Zahnärztin Henriette Hirschfeld-Tiburtius (USA) und Franziska Tiburtsius und Emilie Lehmus (Schweiz). Die ersten „ordentlichen“ deutschen Studentinnen begannen ihr Studium um 1900 in Baden (1908 in Preußen).Die Mikrobiologin Lydia Rabinowitsch-Kempner und die Medizinerin Rahel Hirsch erhielten 1912 bzw. 1913 einen Professorinnentitel, allerdings ohne Lehrerlaubnis, da die Habilitation für Frauen noch bis 1920 in Preußen gesetzlich verboten war.
In der Verfassung der Weimarer Republik war dann das Recht für Frauen auf ein Hochschulstudium endlich offiziell verankert. 1923 wurden erstmals zwei Lehrstühle mit Frauen besetzt – mit Margarete von Wrangell als Leiterin eines Instituts zur Erforschung von Phosphatdüngung und der Erziehungswissenschaftlerin Mathilde Vaerting. Die Ökonomin und Frauenrechtlerin Elisabeth Altmann-Gottheiner war ebenso eine der ersten Hochschullehrerinnen. Mit einer Professur folgten ihnen auch noch Lise Meitner, Charlotte Leubuscher, Rhoda Erdmann und Paula Hertwig. Margarete von Wrangell gründete 1926 mit anderen den Deutschen Akademikerinnenbund zur Vertretung der beruflichen Interessen von Wissenschaftlerinnen bzw. Akademikerinnen. Doch mit Beginn des Naziregimes wurde das alte Rollenbild der Frau, die für Haushalt und Familie da zu sein hatte, wieder verbreitet und der Anteil von Frauen unter den Studierenden gesetzlich auf 10% beschränkt. Außerdem waren natürlich auch Wissenschaftlerinnen von NS-Verfolgungen betroffen, wie z.B. Lise Meitner, die zwar an der ersten physikalisch-theoretischen Erklärung der Kernspaltung ganz wesentlich mitgewirkt hatte, aber letztendlich in der Veröffentlichung nicht als Koautorin erwähnt werden durfte. Auch Elisabeth Schiemann verlor 1940 ihre Lehrbefugnis. Doch schon 1941 wurden Frauen dann sogar explizit aufgefordert, ein Studium zu beginnen, was auf den kriegsbedingten Männermangel an den Universitäten zurück zu führen ist.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte im westlichen Teil Deutschlands unter Konrad Adenauer noch ein sehr konservatives Frauenbild vor, welches Frauen den Einstieg in wissenschaftliche Laufbahnen sehr erschwerte. Erst in den 1970er Jahren wurden durch die erstarkende Frauenbewegung bzw. Frauenemanzipation verschiedene Bildungsreformen und damit auch Reformen in der Wissenschaft allgemein durchgesetzt. In der DDR dagegen galt durch die verfassungsmäßige Gleichberechtigung von Mann und Frau, dass Frauen im gleichen Maße wie Männern der Zugang zu einer wissenschaftlichen Laufbahn zu ermöglichen ist und so begannen in den 1950er Jahren gesetzliche Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Qualifizierung explizit von Frauen zu greifen. 1971 betrug der Frauenanteil der Studierenden der DDR 45,6%.
In den letzten Jahren sind etliche Studien zu den Entwicklungschancen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb erschienen, die zeigen, dass trotz der Existenz von Interessensverbänden und -vereinen, insbes. Frauenverbänden, Fördereinrichtungen, marginal speziell für Frauen vergebenen Stipendien und Preisen der Weg in die Forschung und zur Anerkennung entsprechender Leistungen für die Wissenschaft für Frauen in Deutschland deutlich schwieriger ist, als für Männer. Christiane Nüsslein-Volhard ist bislang die einzige deutsche Wissenschaftlerin, die für ihre Forschung (über die genetische Steuerung der frühen Embryonalentwicklung) einen Nobelpreis (1995) verliehen bekam.
Bildnachweise:
- Roswitha von Gandersheim. Quelle: Wikimedia Commons
- Ausschnitt aus dem Artikel Die Führerinnen der Frauenbewegung in Deutschland des Magazins Die Gartenlaube, Jahrgang 1894, Heft 4, S. 257.Quelle: Wikimedia Commons
- Copenhagen spring conference 1932. Quelle: Wikimedia Commons
- Deutscher Frauenkongress für den Frieden in der Deutschen Staatsoper Berlin. Quelle: Wikimedia Commons / Deutsche Fotothek / CC-BY-SA 3.0-DE